Ein NICHTS am Ende des Tunnels

Davon ist jetzt die Rede, viele reden davon: man sähe ein Licht am Ende des Tunnels. Des Tunnels namens Covid-19. Aber wieso denn? Selbst wenn ich das schräge Bild vom Covid-19 als einem Tunnel mal durchgehen lasse: in diesem Tunnel ist es überhaupt nicht dunkel. So viel Licht ist nicht einmal auf einer Bühne bei einem Helene-Fischer-Konzert. Hunderte von TV-Scheinwerfern in der ganzen Welt sind ständig auf Covid-19 gerichtet. Und fast noch mehr Mikrofone. Jeder, der will, weiß alles.

Auch ich. Obwohl ich so manches eigentlich gar nicht wissen will. Und mich so manches nervt. Zum Beispiel, dass ich heute zum 4167. Mal gesehen habe, wie ein aktionsgieriges Wattestäbchen in einen demütig geöffneten Mund eindringt oder in ein willig hingehaltenes Nasenloch.

 

 

 

 Und zu diesem Bild jedes Mal ein anderer Text erklingt zum Thema Covid-19, mal informativ, mal mitleidig, mal empört, mal resigniert, mal anklagend, gesprochen „von unserem Korrespondenten“ oder „unserer Redakteurin“ in der ARD, im ZDF, in RTLplus, im Bayerischen Rundfunk, in N24, in SWF 3 und all den vielen weiteren Informationslieferanten.

Und jeden Tag die aktuellen Daten. Huch, schon wieder mehr als gestern, 12.345 Neuinfektionen! Aber von wie vielen Tests? Wenn es 200.000 Tests waren, sind 12.345 relativ wenig; wenn es 54.321 Tests waren, sind es verdammt viele. Die Zahl der Toten „an oder in Verbindung mit Covid-19“ ist immer zu hoch. Und was ist der R-Wert? Die wöchentliche Inzidenz? Selbst wenn man die Grafik lesen könnte, würde man nichts verstehen.

Und täglich die neuen Sendungen. In den Nachrichten die ersten 7 Beiträge. Nach dem Wetterbericht ein „Extra“ oder „Spezial“. Alle Talkshows zu allen Themen, die sich irgendwie mit Covid-19 in Verbindung bringen lassen. „Hat der Intelligenzquotient einen Einfluss auf Ansteckungsgefahr? Dazu heute unser Experte für Hirnresistenz bei Einserjuristen“. Und wieder dabei: Jens Spahn. Oder Karl Lauterbach. Oder Lisa Federle, die erfolgreiche Pandemiebeauftragte aus Tübingen.

Und das gleiche Drama inzwischen beim Thema Impf-. Zu Impf-Termin, Impf-Zelt, Impf-Stoff, Impf-Plan, Impf-Streit, Impf-Panne, Impf-Katastrophe, Impf-Gipfel. Die deutschen Landesfürst*innen angstzittern oder zornbeben und wissen keinen gemeinsamen Weg. Und Angela Merkel leidet unter immer neuen Föderalismus-Schüben, gegen die es bisher noch keine Pillen gibt. Gegen Covid-19 aber gibt es Spritzen.

So sehe ich heute Abend im ZDF den 2467. Oberarm, in welchen eine spitze Nadel hineinsticht. Ich höre aber gleichzeitig, dass der Versuch, einen Impf-Termin zu bekommen, für einen Menschen über 80 so aussichtslos ist wie dessen Wunsch, in Philosophie zu promovieren. Weil es viel weniger Dosen gibt als ursprünglich vereinbart, und die Schuld daran hat niemand, weil diese Schuld ständig von einem zu anderen und dann im Kreis zurück rotiert.

Was kann man lernen aus all diesen Zahlen, Meinungen, Behauptungen, Vermutungen, Verordnungen, Lockdowns und Shutdowns? Wir haben Krieg. Weltkrieg. Den 3. Weltkrieg. Das Corona-Virus überfällt die ganze Erde in unglaublicher Heeresstärke. Tückisch, hinterhältig. Dabei sehen die einzelnen Soldat*innen doch ganz nett aus. 

 

 

 

 

Könnte ein süßes Stückchen sein, mit zierlichen Erdbeerteilchen obendrauf. Ja denkste. Erst mal ist es gar nicht so leicht, diese Krieger zu stoppen, zu isolieren, zu vernichten. Und wenn die Corona-Heeresleitung das mitkriegt, kommen andere Kämpfer, sogenannte Mutanten. Und die sind noch viel gefährlicher. Und unsere Bataillone, mit denen wir uns verteidigen, sind schon rein zahlenmäßig viel zu schwach. Außerdem ist unsere Generalität völlig uneins, was die Strategie betrifft. Die USA, Großbritannien und Israel impfen erfolgreich an vorderster Front, die EU ist auf Platz 15.

Warum ich das alles zusammennöle? Soll das heißen, ich bezweifle, dass es Covid-19 überhaupt gibt?- Im Gegenteil: es gibt viel zu viel Covid-19. – Dass Covid-19 doch irgendwie nicht so schlimm ist? – Im Gegenteil: nicht zuletzt durch die neuen Mutanten wird es immer noch schlimmer. – Dass die Regierenden zu viel des Guten tun? – Nein: sie tun des Schlechten zu viel: zu viele verschiedene, hilflose, unverständliche Maßnahmen, Halb-Lockdowns, Radikal-Lockdowns, gelockerte Lockdowns. Zu viel Geld an die falschen Adressaten. – Dass die Bevölkerung, also wir alle zusammen, so sehr eingeschränkt und gegängelt werden, was gar nicht nötig wäre? – Im Gegenteil: zu viele Halbheiten, Unklarheiten, Veränderungen der gerade verkündeten Vorschriften. Was alles die Infektionszahlen nicht senkt, und wenn doch, die angstschürende Verkündung, dass sofort die dritte Covid-19-Welle über unser Land schwappen werde, wenn nicht…

Da bleibt der Rudolf aus dem Erdgeschoss doch bei seiner gefestigten Überzeugung und sagt: Ich kenne meine Skatbrüder seit 40 Jahren, die hatten noch nie sowas und ich bin sicher, die haben auch kein Covid. Auch der Paul nicht, auch wenn seine Frau Kassiererin bei REWE ist. Die passt schon auf. Wozu also blöde Masken bei unserem wöchentlichen Treffen?

Also: Was tun? Hier hilft auch Lenin nicht. Aber ein bisschen was könnte es bringen, nicht solche nebligen Aussagen im Brustton der Überzeugung rauszuposaunen, wie eben diese Phrase vom Licht am Ende des Tunnels. Was es geben wird, wenn ich es erlebe, ist höchstens ein NICHTS am Ende des Tunnels. Welcher wie gesagt, eigentlich überhaupt kein Tunnel ist.