Wer NICHTS will…

Um genau zu sein: "Wer nichts will, als die Wahrheit zu sagen, steht außerhalb des politischen Kampfes (...)". Ein Zitat von Hannah Arendt. Ich habe es gefunden in einem Artikel in den neuesten "Blättern", Ausgabe 6/17 (siehe Links). Es ist enthalten in dem lesens- und nachdenkenswerten Artikel "Die Lüge als System" von Antonia Grunenberg.

Da ich gerade bei ausgeprägten politischen Kernsätzen bin, komme ich auch auf den kürzlich gestorbenen Alt-Ex-Kanzler Helmut Kohl. Keine Angst: kein Nachruf. Die Millionen Würdigungen, fast alle weihrauchumwallt mit der gleichen Ehrfurcht und den gleichen Formulierungen vorgetragen, während seine durchaus vorhandenen Irrtümer, Versäumnisse und manchmal schon ziemlich bösen Verfehlungen als negligeable kleine, putzige Dummheiterchen schamhaft kaum erwähnt wurden - das  will und könnte ich nicht überbieten. Ich kann und will auch mal nicht NICHTS, sondern zwei Sätze des oft auch so genannten "Pfälzers" aus drohender Mit-Beerdigung retten. Erneut keine Angst! Nur zwei von Tausenden.

1. "Die Wirklichkeit ist leider anders als die Realität". Wieder einmal erweist sich hierin, dass Helmut Kohl nicht nur über einen scharfen Blick auf seine Gegenwart gebot, sondern auch die Zukunft sehr klar vorhergesehen hat. Beschreibt dieser Satz nicht einfach und umfassend den gegenwärtigen US-Präsidenten und dessen Politik, präziser kaum möglich? Kohls Zeitgenossen - und ich schließe mich da leicht verschämt mit ein - haben sich darüber mokiert und das Zitat als einen weiteren Beweis angesehen für das simple Denken, das aus der "Birne" kam. Irrtum! Mindestens ebenso richtig wird da die Gegenwart 2017 beschrieben wie im oben zitierten Satz von Hannah Arendt. Heute aber heißt das zeitgemäß modern "Fake-News" oder "Gegenwirklichkeit". Na und? Ich habe nur NICHTS dagegen.
Eine weitere sehr schöne Beobachtung des Verschiedenen:

2. "Entscheidend ist, was hinten rauskommt". Genau das ist es ja oft! Aber nicht einmal ich bringe es so leicht fertig, das inzwischen so sozialgängige deutsche Unflatbezeichnungswort niederzutippen (Helmut Schmidt hat es seinerzeit in den Bundestag hineingeführt). Dass Helmut Kohl so viel Feingefühl besaß, das so wahrhaft elegant zu umschreiben, rechne ich ihm hoch an. Und er hat ja so Recht! Selbst bei ihm war das ganz oft entscheidend! Irgendwie unnatürlich war allerdings, dass das bei ihm durchaus auch vorn oben rauskam, viel zu oft gar nicht wahrgenommen. Und wieder fällt einem doch Donald Trump ein! Neinnn! Nicht weil ich die beiden vergleichen will! Der gegenwärtige US-Präsident ist einfach unvergleichlich. Es geht nur erneut um die Beschreibung seiner Politik, die in diesem Kohlsatz unvergleichlich formuliert ist.
Kurz: nach diesen beiden Zitaten schon kann und darf ich feststellen, dass er unvergessen bleiben wird und eingegangen ist auch in die Geshishte. Glückwunsch!

Da ich gerade dabei bin: eine weitere sehr schöne Beobachtung, die ganz viel über die Gegenwart aussagt, ist folgende:

Hier links der Expolitiker Steinbrück...

            
                     ...und hier der Ex-Komiker Beppe Grillo 

Früher, als ich noch Kabarett gemacht habe, waren meine Mitwirkenden und ich der Meinung, Satiren seien ein Stück Politik; sie wirkten, so dachten wir, auf unser Publikum, beeinflussten dessen Denken und dann auch seine Wahlentscheidung. Ob das überhaupt je zutraf, lasse ich mal dahingestellt (wohingestellt eigentlich?).
Eine wunderschöne Entwicklung hat inzwischen stattgefunden: Politik und Politiker sind ein Stück Satire geworden. Freiwillig! Bewusst! Schon seit längerem war zu beobachten, dass weit bessere satirische Äußerungen und Verhaltensweisen als selbst von qualifizierten Komikern von Politikern kommen. Andererseits erhält das Politiker-Establishment laufend Zuwachs an Komikern: Beppe Grillo eben, vorher schon Berlussolini oder bei uns der Seehofer. Diese Entwicklung nimmt zu und setzt sich fort. Folgerichtige Konsequenz: da gibt es ein Medienunternehmen spanischer Sprache in den USA namens Univision Communications und da gibt es eine Satirezeitschrift namens THE ONION, in einigen Teilstaaten gedruckt, aber hauptsächlich im Internet verbreitet. Von der haben die Manager von Univision Communications einen Anteil von 40 % gekauft, Schätzpreis 200 Millionen Dollar. Begründung: "Die jungen Leute entscheiden sich auf Grund von Lachsalven... allein die Ironie erregt noch Aufmerksamkeit, z.B. bei dem Weg der Kandidaten zum Weißen Haus." Und bei dem Weg eines Kandidaten zum Kanzleramt der Bundesrepublik Deutschland. Es gilt also die Feststellung: Die Politik ist komisch und das Komische ist politisch.

Das ist übrigens auch die Weiterentwicklung einer Polit-Theorie der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Ich habe sie in meinem letzten Bühnenprogramm EIN ALTER IM HEIM im Jahr 2001 erläutert. Hier die entsprechende Passage. (mehr davon und vor allem sehr viele Lieder aus verschiedenen Zeiten auf der CD LIEDER ZUM LAUF DER ZEIT)

Das Politische und das Private
 Fazit: Wer NICHTS will, wird schon wissen warum.

Und wer NICHTS als Erholung sucht: hier klicken.

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