Am 5. September 2018 bin ich aufgestanden. Wach war ich schon lange vorher. Und ich bin auch schon öfter aufgestanden. Diesmal gab "aufstehen.de" den Anstoß. Das .de steht bekanntlich für Deutschland in der ganzen www. Wie zu vernehmen ist, sind bereits über 100 000 Deutsche aufgestanden. Zurzeit stehen sie fast alle noch in der Gegend herum. So wie ich auch. In der Erwartung, wie es denn nun weitergeht. Eine lange Geschichte, dieses Aufstehen Aufzustehen habe ich schon als Kind gelernt, wie vermutlich die allermeisten Deutschen meines Alters. Meine Mutter weckte mich mit diesem Ruf zum Frühstück und dem anschließenden Gang zur Schule. In dieser "Volksschule" (wie das damals noch hieß) wie auch im Gymnasium (also der "Höheren Schule") hatte ich ganz selbstverständlich ebenfalls aufzustehen. Als Ehrerbietung, den Lehrern gegenüber, schon damals sogar den wenigen Lehrerinnen gegenüber, erstaunlicherweise. In den Genuss einer weiteren Ehrerbietung durch Aufstehen kamen alte Menschen, vor allem in Bussen oder Straßenbahnen. Inzwischen hat sich vieles geändert. Einiges zum Glück. Dem Aufstehen damals folgte etwa in den meisten Fällen die Pflicht, strammzustehen. Nein, salutieren musste man nicht mehr. Auch wenn das so mancher Lehrer auf Grund seiner gerade erlebten Erfahrung sicher vermisste und als bedauerliche hyperdemokratische Dekadenz empfand. Ebenso wie ähnliche Erscheinungen, die mit dem Verdikt "Das-darf-man-ja-heute-nicht-mehr-sagen" belegt waren. Unerhörte Aspekte der 68er-Bewegung Richtig: eimal mehr geht es um die Bemerkung "Wenn's denn der Wahrheitsfindung dient", mit der der vor Gericht (noch) sitzende Fritz Teufel der Aufforderung aufzustehen durch den Herrn Richter Folge leistete. Also der Richter sprach nicht von aufstehen, sondern, seinem hohen Bildungsstand entsprechend, von "sich erheben". Nicht nur diese teuflische Episode schockierte damals die anständigen Deutschen sowie auch die BILD-Zeitung. Die gesamte 68er-Bewegung wurde als etwas gesehen, das mit Aufstehen verbunden war, allerdings im ganz anderen, negativen Sinn, d.h. als Aufstand. Selbst wenn es auch ganz viele Sitzstreiks zur Verstärkung politischer Forderungen gab. Damals durfte man das ja nicht sagen, heute jedoch schon: vor der "rot-grün versifften 68er Multikulti-Republik" schaudert es die AfD. Und nicht nur die. Aufstehen und die Friedensbewegung Aufstehn! Für den Frieden. Mit diesem Motto, diesem Slogan, dieser Losung, diesem Imperativ - teils mit, teils ohne Ausrufezeichen - mobilisierte in den 80er Jahren dann die Friedensbewegung. Diesmal waren es nicht nur angehende Juristinnen, Ärztinnen, Lehrerinnen, Chemikerinnen, Künstlerinnen, Literatinnen, Fernsehregisseurinnen, Schauspielerinnen beiderlei Geschlechts, die aufgestanden waren, um sich zu widersetzen (nicht: wieder zu setzen). Widerstand wollten sie leisten gegen eine von jeder Bundesregierung damals, ob Schmidtgeführt oder Kohlgeleitet, betriebene Politik einer massiven Aufrüstung (u.a. mit Atomraketen wie Pershing 2). Eine Politik, die schnell vom Kalten in einen heißen Krieg führen konnte. So jedenfalls sahen es die Menschen, die sich in zahllosen Veranstaltungen in der ganzen Bundesrepublik engagierten, nicht zuletzt in Großdemonstrationen mit Hunderttausenden von Teilnehmern. (Hier: Künstler für den Frieden - Großveranstaltung am 11. September 1982 im Ruhrstadion von Bochum) Wer damals dem Aufstehn! nicht folgen wollte, zog sich leicht eine Bewertung als Sitzenbleiber zu. Das war für viele wieder, zumal eben in meinem Alter, in Erinnerung an die Schulzeiten eine sehr sehr negative Einschätzung. Herne 3 Jetzt also wieder aufstehen. Höchst modern-aktuell mit @ oder # (sprich: ätt oder häschtägg). Heute kann man also auch im Sitzen vor dem Schreibtisch zuhause aufstehen. Wieso "Herne 3"? Nun, für mich gilt und galt Aufstehen stets nicht nur politisch-gesellschaftlich, sondern auch privat. Es gab immer wieder Zeiten und Situationen, wo ich mich entnervt hingesetzt habe oder mir sogar sagte: Da legst di nieda. Und wo ich dann glaubte, es sei besser oder ich könnte gar nicht mehr anders als liegen zu bleiben. Aber irgendwann kam mir dann dieser Refrain in den Sinn: "Immer wieder aufstehn, immer wieder sagen: es geht doch!" Das war einer der Hits der deutschen Pop-Rock-Band "Herne 3", die ihre größten Erfolge in eben diesen frühen 80er Jahren hatte, in denen ich glaubte, meine Midlifecrisis nehmen zu müssen. Der Refrain-Text kam mir auch in den Sinn, wenn ich politisch resignieren wollte, also aufgeben statt mir zu sagen: es geht doch. Aufstehn also. Nur wenn ich aufgestanden bin, kann ich auch gehen. Auf ein Ziel zu. Deshalb bin ich am 5. September 2018 aufgestanden. Wieder einmal. Welches Ziel? Dazu beitragen, dass noch mehr Menschen in Deutschland aufstehen anstatt in die Knie zu gehen. Wie z. B. die SPD vor der Kanzlerin oder Angela Merkel vor der Autoindustrie oder Daimler vor Trump. Wobei man nie weiß, ob diese Redensart gemeint ist im Sinn von "eine Demutshaltung einnehmen" oder "eigene Grundsätze aufgeben" (beide Möglichkeiten bietet der Redensarten-Index an). Vielleicht kommt es ja doch zu (einer) Bewegung von links her. Die es verhindern kann, dass die rechte Bewegung in unserem Land immer stärker wird, so wie in anderen Ländern, in Frankreich, Italien, Ungarn etc. etc. Nach Chemnitz geht ein Verharmlosen nicht mehr. Oder später einmal das weinerliche Gestammel "Das hab ich nicht gewollt. Das hab ich nicht gewusst." Gründe gibt es genug für ein Aufstehen. ________________________________________ Was ich noch sagen wollte: Wenn ich früher gesagt habe, ich sei Kommunist, habe ich Hass geerntet, Mitleid, Spott. Heute erlebe ich das Gleiche, wenn ich sage, ich bin Feminist.
Ma come facciamo noi ad alzarci se ogni giorno ci illudiamo di essere già perfettamente in piedi?
Ho il cellulare. Dialogo col mondo. Arrivo dove gli occhi del Buddha tibetano faticano ad arrivare.
Anche gli africani hanno il cellulare. Ma come si permettono? Non sono poveri loro?
Anche gli africani si illudono di essere in piedi e vedono di là dal mare.
Noi tutti che camminiamo con un passo eretto orgogliosamente respiriamo morte.
Lazzaro sta‘ giù!
Esubero di statura. Eccesso di positività. Coping. Burn-out.
Find the cost of freedom / Buried in the grown / Mother Earth will swallow you / Lay your body down.
Danke Herr Frank!!!