Mal was Ernstes soll ich schreiben, nicht nur Comedy, meint ein treuer Leser, der NICHTS liest. Mal ganz im Ernst: ist das, was ich schreibe Comedy? Schon komisch: über die Frage, was Comedy ist oder Satire wird derzeit so heftig gestritten wie über das Problem, ob Hansi Flick Trainer der nationalen Männer-Fussball-Elf bleiben soll. Ist Dieter Nuhr z.B. rechts? Sowas gab es früher auch. Lisa Fitz, rechts? Erlebt Protestaktionengegen ihren Auftritt. Von Rechten? Von Linken? Kenner und Kennerinnen und solche, die sich als solche einschätzen, wägen ab und schlagen zu. Soll ich darüber schreiben? Mich ereifern? Tucholsky zitieren („Was darf die Satire. Alles.“) und aktuell interpretieren („Was darf die Satire? Alles was recht ist“) Nein. Es soll doch was Ernstes sein. Also Politik. Außen oder innen. Oben (Bund) oder unten (Stadtteilprobleme). Zum Beispiel:
Aber darüber schreiben, reden und filmen die Medien. Morgens, mittags, nachmittags, abends, nachts. In Schlagzeilen, kurzen Notizen, langen Artikeln, mit Bildern, Videos und Kommentaren. Richtig gut recherchiert (meistens) und sachlich-neutral. Auch wenn z.B. das ZDF in den Nachrichten ständig seine Abneigung gegen China rausjammert? Oder wenn in den Talkshows von A(RD) bis Z(DF) zum Thema Ukrainekrieg – sorry:„Angriffskrieg Putins“ – nur Mainstreamfiguren eingeladen werden, die ganz sachlich und unaufgeregt immer nur die Regierungs- (und des größten Teils der Opposition) Haltung erläutern?
Was soll ich darüber Ernstes schreiben? Ich bin kein Journalist. Außerdem: bei fast all diesen Themen, politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen, im Inland wie im Ausland, schießen mir automatisch comedienhafte oder satirische Gedanken durch’s gestresste Hirn.
Wenn Olaf Scholz auf dem Schirm sichtbar wird, mit der linken Hand leicht spastisch abgewinkelt in der Hüftgegend, diese quasinapoleonische Geste, nachdem die Merkel-Raute inzwischen geschützt ist, dann freue ich mich und denke: Ist doch schön, dass wir jetzt unseren ersten Teflon-Kanzler haben: hohe thermische Beständigkeit, schwer entflammbar, formbar, hohe Anpassungsfähigkeit, antiadhäsiv, kein Anbacken an Flauschflächen.
Wenn ich Robert Harbeck erblicke, erkenne ich als erstes den Mann, der – seit er es allen Bürgerinnen und Bürgern ans Herz gelegt hat – selber zwei Minuten kürzer duscht als früher. Und so wenigstens eines seiner geplanten Ziele als Wirtschaftsminister in die Tat umsetzen kann. Täglich!
Friedrich Merz parodiert den wunderbaren Kabarettisten Max Uthoff von „Die Anstalt“ im ZDF. Und brilliert durch ständig neue Abwandlungen seiner Schöpfungen Agenda für Deutschland und Alternative für Deutschland – äh, gibt’s das nicht schon? Nein! Nur ohne den Zusatz: „mit Substanz“. Meine spontanen Vorschläge (gegen geringe Nutzungsgebühr): Arbeitszeitverlängerung für Deutsche. Arbeitspflicht für Dichter. Anstalten für Dumme. Und ich amüsiere mich schon bei der Vorstellung, dass es nach seiner Wahl zum nächsten Kanzler heißt: Arschkarte für Deutschland.
Chrissi Lindner will unbedingt Talkshow-Master werden. Er weiß schon, wie das gehen soll: Immer nur ein Gast, 45 Minuten, zum Thema „Alle sind dümmer als ich. Auch du“.
Neu hinzu kommt Karl der erste Lauterbach mit einem Twitterle: „Es tut mir Leid, was ish über Italien gesagt habe. Das gilt natürlish auch für die Ostsee, die dann bis Parshim übersihwemmt ist und die Nordsee bish Bishpingen.“ Und wieder weiß er nicht, was darin so schlimm ist. Bis die Bürgermeister von Sylt und Rügen Herzinfarkte vor Aufregung kriegen.
Und was ist mit den Millionen deutschen Biden-Verstehern?
Also gibt es überhaupt nichts Aufregendes für mich? Nichts Ernstes? Doch, schon. Aber das wurzelt im privaten Bereich. Wie bei fast allen Menschen in Deutschland. Und es ist in ganz vielen Fällen auch ein Resultat all dessen, was die gegenwärtigen Zeiten uns an Ernstem zumuten.