Wahrlich ich lebe in spannenden Zeiten! Immer wieder geschehen Dinge, die mich fassungslos machen. Oder zumindest sehr überraschen. Und äußerst nachdenklich werden lassen. Weil ich mir das, was da passiert, bei aller mir zur Verfügung stehenden Fantasie nicht vorstellen konnte.
Zum Beispiel: Trump. Als der zum Präsidenten der USA gewählt wurde, war ich fassungslos. Und bin es immer noch. Fast täglich neue Nachrichten zur Bestätigung. Zu der laufenden Ukraine-Affäre kommt ganz aktuell der Rückzug der USA aus der Grenzregion Syrien/Türkei. Ein weiterer Grund für einen möglichen Krieg. Deprimierend, all das.
Aber ab und zu werde ich auch wieder ganz fröhlich. Zum Beispiel: Jan Böhmermann wird neuer SPD-Chef! Und dann auch bald Kanzler. Kein Witz, es ist eine nicht unmögliche Möglichkeit. Der SPD ist (inzwischen) alles zuzutrauen. Sogar dass sie wieder eine Wahl gewinnt. Mit Böhmermann als Spitzenkandidat. Auch den deutschen Wähler*innen ist (inzwischen) alles zuzutrauen. Siehe die Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg. Und, wer weiß, vielleicht schreibt Böhmermann dann auch für Trump so ein schönes Gedicht wie für Erdogan.
Einzelfälle? Aber nein! Dass Satiriker, Komiker, Alleinunterhalter, Schauspieler, Clowns, Narren eine politische Karriere machen, ist heute fast normal.
Schon Berlusconi war mal Sänger auf Kreuzfahrtschiffen und in Nachtclubs. Die an der Regierung in Italien beteiligte Partei Movimento Cinque Stelle wurde gegründet von Beppe Grillo. Der war Satiriker – eine Art Prä-Böhmermann in Italien. In der Ukraine ist Wolodymyr Selenskyj Staatspräsident , ein ehemaliger Schauspieler, der auch eine Kabarett-Truppe gegründet hat. Kein Wunder, dass er sich mit Trump gut versteht. Nicht zu vergessen Boris Johnson. Ich bin sicher, dass Rowan Atkinson (Mr Bean) ganz neidisch wird, wenn er ihm zuschaut.
In der Bundesrepublik gibt es weitere Beispiele. Der „deutsche Satiriker“ (Wikipedia) Martin Sonneborn sitzt für die von ihm gegründete DIE PARTEI im Europa-Parlament, der „deutsche Kabarettist“ (Wikipedia) Nico Semsrott ebenso. Wenn alles so weitergeht, kommt Ursula von der Leyen nicht drum herum, einen der beiden in ihre Kommission zu berufen.
Meine Frage: wie wäre das umgekehrt? Also dass ein Politiker zum Clown, Satiriker, Narr, Kabarettist oder Schauspieler wird? Nein! Nicht alle sind bereits in einen der genannten soliden und ehrenwerten Berufe übersiedelt. Bemerkenswerter Vorprescher ist Peer Steinbrück (genau, der mit der Fahrradkette). Der SPD-Politiker tourt mit dem Kabarettisten Florian Schroeder durchs Land. Mit mehr Erfolg als zuletzt in seinem früheren Job.
Weitere Frage: welches Können, welche Vorbereitung auf ihren neuen Job bringen Politiker mit? Bei Steinbrück ist das noch leicht zu beantworten: er hat von Grund auf Komik, Satire und Schauspielerei gelernt, als Staatssekretär, Landesminister, Ministerpräsident, Bundesfinanzminister und schließlich Kanzlerkandidat der SPD (2012-13).
Das lässt hoffen auf weitere Berufswechsel dieser Art. Erste beeindruckende Leistungen weisen Gerhard Schröder und Joschka Fischer auf. Dass man von letzterem nichts mehr sieht, hört oder liest hat sicher damit zu tun, dass er die Öffentlichkeit nicht vorzeitig zum Lachen bringen möchte. Vielleicht träumen die beiden ja auch von ähnlichen Erfolgen wie dermaleinst Dick und Doof.
Aber auch der Herr Scheuer und Rudolf Scharping wecken Erwartungen. Oder Bernd – Verzeihung: Björn – Höcke hat bereits Fähigkeiten als trauriger Narr erkennen lassen. In dem berühmten ZDF-Interview hat er gesagt: „Vielleicht werde ich auch mal eine interessante persönliche, politische Person in diesem Lande. Könnte doch sein.“ Das ist ja dann ganz falsch interpretiert worden. Das war keine Drohung gegen den Interviewer. Er hat nicht gemeint, dass er vielleicht mal sowas wie ein Führer werden könnte. Er meinte seine Erwartung, demnächst den deutschen Comedypreis zu bekommen, für große Leistungen auf dem Gebiet der Kleinkunst.
Ein letztes Beispiel: wie wäre es, wenn Horst Seehofer und Angela Merkel eine Karriere als neues Duo im Stil von Karl Valentin und Liesl Karlstadt machen würden? Dann hätten sie bestimmt auch weiterhin volle Säle. Und rauschenden Beifall überall, in Ost und West, in Sachsen wie in Bayern.
Überhaupt bin ich überzeugt, das deutsche Publikum würde bei all diesen Ex-Politiker*innen rasen vor Begeisterung. Ich auch. Und es würde mir über die eingangs erwähnten Phasen der Fassungslosigkeit und erschütternden Überraschungen hinweghelfen. Zumindest für ein paar Augenblicke.
PS: Passende Ergänzung: wenn Sie mal an einem Abend hintereinander die TV-Sendungen Tagesthemen und Die Anstalt (ZDF-Sendung) anschauen – wo erfahren Sie die wirklich wichtigen Zusammenhänge, gespickt mit Daten und Namen? Kleine Entscheidungshilfe: Die Anstalt ist eine Satiresendung…