Was für ein Film! Großartig! Alles perfekt: Drehbuch, Kamera, Ton, Schnitt, Regie. Tolle Schauspieler und -innen. Sehr selten sowas. Besonders bei einem Science-Fiction-Film, er spielt im Jahr 3184. Man muss ihn gesehen haben. Damit man weiß, was uns erwartet. In wenigen Jahrzehnten Das zeigt das Werk:
Schon das Opening: mit ohrenbetäubendem Krachen bricht ein riesiges Stück aus einem Eisberg und klatscht in das Meer. Schnitt. Ein völlig ausgetrocknetes Weizenfeld in Niedersachsen. Der Bauer, dem das Feld gehört, spricht davon, dass er ruiniert ist und nicht weiß, wie er und seine Familie weiterleben sollen. Schnitt. Düsseldorf, eine 65 Jahre alte Frau, ihr zerfurchtes Gesicht füllt die ganze Leinwand. Frührentnerin wegen eines Schlaganfalls im Alter von 56. Ein paar Tränen rollen über ihre Wangen. Sie hat gerade die Energierechnung für ihre kleine Wohnung bekommen, 5mal so hoch wie letztes Jahr. Und gestern kam die Kündigung, wegen „Eigenbedarf“ des Vermieters. Dem 18 weitere Häuserblocks gehören. Schnitt, rasch hintereinander geschnitten: Furchtbare Szenen, riesige Waldbrände, in Australien und im Grunewald, in Frankreich und den Rocky Mountains, die Feuerwehren überall überfordert. Oder die Schiffahrt auf dem Rhein, ein Frachtschiff kratzt über den Boden – klar: Niedrigwasser. Hitzewellen überall auf der Welt, China, USA, Europa, Sibirien. Flüchtlingsströme aus Afrika oder dem Nahen Osten. Krankheiten breiten sich aus, bisher unbekannte, eine Medizin gibt es nicht.
Und dann noch – der Film verschont uns nicht – Kriege. Schon lang andauernde. Und auch neue. Ein Land in der Größe von Bayern wird überfallen von einer Weltmacht. Nein, diesmal ausnahmsweise nicht von den USA. Die Auswirkungen: Inflation, Preissteigerungen für Gas und Strom bis zu 75%, AKWs dürfen weitermachen. Und zahlen müssen die Menschen, vor allem die Armen in allen Ländern, immer mehr. Immer mehr Profit machen die Konzerne, immer reicher werden de Reichen. Manchmal hält man es fast nicht mehr aus, im Kino, beim Anschauen dieses Films.
Und doch: es gibt auch Positives in diesem Opus. Nein, nicht bei Covid. Das ist ja längst besiegt. Nein, positiv ist das Verhalten der Regierungen, weltweit. Die haben die Gefahren erkannt. Ständig treffen sie sich zu neuen Konferenzen, Themen ganz allgemein das Große und Ganze, aber auch Details, zum Beispiel welche Folgen das Verbot von Chemie-Dünger in Europa für die Bevölkerung von Süd-Abessinien haben kann. Ja, die Regierungen, das zeigt der Film, tun ihre Pflicht. Sie treffen sich mit großen Delegationen mal in Mali, dann in Berlin, in Wien, in Los Angeles, in der Schweiz, in Australien, in Italien, in Kapstadt. Pläne werden erarbeitet. Zum Schutz der Natur. Zur Beseitigung der Bedrohungen. Ganz konkrete Maßnahmen werden verabschiedet. Gesetzlich. Wirksam schon in 27 Jahren, in 51 Jahren, in 103 Jahren.
Das tröstet. Das beruhigt. Die Menschen zahlen, ein bisschen murrend, aber dann doch ohne Widerstand, was ihre Regierungen beschließen. Auch die Konzerne denken mit und handeln vernünftig. Zeitenwende – Zeitenende zeigt es am Beispiel der Autoindustrie. Neue SUVs, die Sportwagen, die Supercabrios werden mit Elektroantrieb angeboten. Von null auf hundert in weniger Sekunden als der bisher schnellste Porsche. Und kaum teurer als die alten Benziner und Dieseler. Die notwendigen Autobahnen werden gebaut, das dafür notwendige Gelände ist eh nutzlos geworden. All das ist natürlich teuer. Aber ohne Profit kein Prosit, kalauert der Chefdesigner eines der Autokonzerne. Aber die Diskussion über die völlig verrückte Idee einer Übergewinnsteuer endet glücklicherweise schon sehr schnell.
Das alles, meint dieser Blick in eine ferne Zukunft, wirkt drohenden Gefahren entgegen. Es soll die Angst nehmen. Das Vertrauen stärken. Soll zeigen, dass die Lage nicht so aussichtslos ist, wie manche Pessimisten oder Prinzipnörgler uns das weismachen wollen. Allerdings – und das zeigt der Film sehr deutlich – wenn in der nächsten Zukunft, so in vier, fünf Jahren – nichts Entscheidendes passiert, ist die Erde in spätestens 66 Jahren nicht mehr zu retten.
Wie gesagt: Science Fiction. 3184. Der Film endet mit rasch hintereinander geschnittenen Szenen, die einem den Atem stocken lassen. Deshalb atmet, wer den Film gesehen hat, auf und tief durch, wenn er aus dem Kino kommt. Er oder sie kehrt in sein normales Leben zurück. Spart immerhin ein bisschen, wo es unbedingt sein muss. Und macht abends den Fernseher um 20:15 an, nach der Tagesschau, und schaltet aus um 23:30 vor den Spätnachrichten. Und freut sich in der Zeit dazwischen an einer neuen Folge der uralten Spitzensendung „Verstehen Sie Spaß“.