Zapfenstreich

Endlich mal wieder! Ich hatte schon Entzugserscheinungen. Mehr als 2 Jahre ist es her, dass ich nach dem unverwüstlichen Ritual dürsten musste. 2019, da ergoss sich das atemberaubende Zeremoniell über Ursula von der Leyen. Seither Pustekuchen. Und ich hänge doch als guter Deutscher mit Körper und Seele daran! Aber hallo! 

Gestern war es endlich wieder soweit. Schon vorher, bei der Ankündigung, dass das Ereignis wirklich wSoldaten beim Zapfenstreichieder mal kommt, wurden meine Augen feucht.


Diese Soldaten hier wollten nicht erkannt werden, weiß der Geier warum. Deswegen kann ich sie leider nur von hinten zeigen. Ist aber auch eindrucksvoll.

Verdient hatten sich die allerhöchste Ehrung„die die deutschen Streitkräfte einer Zivilperson zuteilwerden lassen können“(1), dieses Mal die deutschen Streitkräfte selbst. Mit ihrem Auftrag, den ihnen das deutsche Parlament gegeben hatte. Und die Soldatinnen und Soldaten haben ja mission accomplished! Das hat auch gestern der Bundespräsident bestätigt. Militärisch sei der Einsatz ein Erfolg gewesen. (Auch mit 59 Toten). Unter den deutschen Streitkräften. Den Afghanen ne richtige Demokratie beizubringen, sei weniger gelungen, leider, fügte er dann mit seinem Blick voller tiefer Trauer in den Himmel hinzu.

Nicht nur die ARD fand die Veranstaltung so Spitze, dass sie mit einem ausführlichen Bericht darüber aufmachte. Auch das ZDF mit  seinem HeuteJournal ließ es sich nicht nehmen, die aktuelle Form des einstmaligen eher ernüchternden Zeremoniells(2) in seinem ersten Beitrag zu würdigen. Da soll noch einer sagen, wir Deutschen hätten kein Geschichtsbewusstsein! Immer noch wird ja "als Gebet" der Choral gespielt: „Ich bete an die Liebe der Macht“. Bitte? Oh, vielmals Entschuldigung, der Schlager heißt in Wirklichkeit „Ich bete an die Macht der Liebe“.

Und worauf ich sehnlichst gewartet hatte, kam denn dann auch. Die würdigen, zu Herzen gehen sollenden Worte. Der Bundespräsident fand in seiner Predigt die richtigen Mahnungen. Trotz des peinlichen Scheiterns von 20 Jahren sei es richtig, dass deutsche Soldaten auch weiterhin nicht nur in Deutschland herumschießen dürften, sondern überall, wo unser Land verteidigt werden muss, wie eben gerade am Hindukusch. Richtig: das hat einst der SPD(!)-Verteidigungsminister Peter Struck so formuliert. Aber es ist doch immer noch die reine Wahrheit!! Steinmeier sagte, dass „Rückzug von der Welt“ nicht unsere Antwort sein dürfe. „Wir müssen uns der Welt stellen so wie sie ist, und zugleich den Anspruch bewahren, sie nicht so zu lassen.“ Das sollte sich die Welt mal hinter die Ohren schreiben! Die wird sich noch wundern!

So manche Kritik abzukanzeln, die es an diesem bewegenden Abend leider auch gab  – nein, die Kanzlerin war nur sprachlos dabei - blieb der Verteidigungsministerin AKK vorbehalten. Wir würden, sagte sie mit der ihr immer so eigenen Melancholie in der Stimme, dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan nicht gerecht, wenn wir „pauschal und manche auch leichtfertig“ 20 Jahre Engagement als Desaster und Katastrophe abkanzeln.“ Schließlich konnten wir doch, das hatte der Bundespräsident auch noch gesagt, unsere Verbündeten nicht allein lassen bei dem Versuch, einfach mal zu kucken, ob die Terroristen des 11. September 2001 vielleicht doch in Afghanistan rumlungerten und ihnen dann zu zeigen, was eine Harke ist. Beziehungsweise eine Bazooka. 

Es waren natürlich nicht nur die wahren und mahnenden Worte derer, die diesen Streich der Zapfen zum Genuss werden ließen, jedenfalls für mich. Da waren auch noch diese wunderbaren Uniformen. Die Fackeln. Die erschütternden Gesten, die das Zeremoniell so unvergesslich machen, wie etwa die Abnahme des Helmes zum Gebet. Die ergreifende Militärmusik, besonders dieses Getrommele. Die Nationalhymne, so rührend wie bei einem Fußball-Länderspiel. Ach, es gäbe noch so viel Schönes zu sagen, zu diesem Streich...

Ich muss allerdings leider auch sagen, dass das ZDF da einen völlig unnötigen Missklang in seinen Bericht über die Feierstunde hineinzwingen zu müssen glaubte. Da wird ein gewisser Peter Hämmerle gezeigt, ein Afghanistan-Veteran. Dessen Bilanz: „Der ganze Einsatz is für'n Arsch. Ich bin Schwabe, ich sag das direkt.“ Und dass er dann auch noch jammern durfte, wie es ihm ergangen sei und auch jetzt noch gehe, das hätte man ja durchaus zeigen dürfen; aber doch frühestens in einer Sendung um 02:15 Uhr. Echt!

Aber demnächst, beim Abschied von Angela Merkel, hab ich wieder das Vergnügen, das ungestörte, hoffentlich. Mein bleibender Trost:

Dies war heut der Zapfenstreich
doch der nächste folgt sogleich.
  1. Die Zitate stammen aus der Zapfenstreichbeschreibung von Wikipedia.
  2. Wenn die Landsknechte zur festgesetzten Abendstunde in das Lager zurückkehren sollten, ging ein Offizier, begleitet von einem Pfeifer oder Trommler, durch die Gaststuben und schlug mit seinem Stock auf den Zapfen des Fasses. Danach durfte der Wirt keine Getränke mehr ausgeben und die Soldaten mussten in die Zelte. Diesen musikalischen Befehl nannten die Landsknechte „Zapfenstreich“. Wer sich ihm widersetzte, wurde hart bestraft. Der Begriff des Zapfenstreiches wurde erstmals 1596 erwähnt