Tourismus 2023

Die Medien und die Reisebüros sind begeistert: endlich boomt es wieder. Nicht nur die mehr oder weniger reichen Bürger und Bürgerinnen jetten wieder durch die Welt. Oder  an die deutschen Ferienorte überall im Land. Nein, auch die Spitzen der verschiedenen europäischen Staaten sind oder waren unterwegs. Ihr Ziel immer das selbe: die Ukraine, vor allem die Hauptstadt Kiew. Boris Johnson (als er noch als Premierminister randalieren durfte). Die Regierungschefs von Polen, Tschechien, Slowenien und Österreich. Aus Italien gleich zweifach: Draghi, bevor er zurückgetreten worden war, und dann auch die neue Regierungschefin Giorgia Meloni. Frankreichs Macron, die Präsidentin der EU, Ursula von der Leyen. Auch Joe Biden, zuerst ganz geheim, dann hinterher umso medienallgegenwärtig. Und vor zwei Tagen auch der Generalsekretär der UNO, António Guterres.

Klar, dass da auch die Bundesrepublik Deutschland nicht fehlen wollen durfte. Von ganz oben an ging es los. Olaf Scholz war da, nach dem ihm eigenen wochenlangen Überlegen. Annalena Baerbock, wie immer ganz überlegen und mit ihrer Posaune, der neue dynamischaktive Verteidigungs-minister Boris Becker… äh nein, natürlich Pistorius, hahaha. Robert Habeck plant eine Reise, ebenso Christian Lindner („im Spätsommer oder Herbst“). Wichtig: auch die Vorsitzenden der Ausschüsse, die verteidigungsrabiate Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der CDU, der SPD-Spezialist für das Auswärtige, Michael Roth und der Ex-Grüne Anton Hofreiter. Nicht fehlen wollten die Parteivorsitzenden von CDU, Friedrich Merz, und kürzlich auch der von der SPD, Klingbeil. Der dann heftig genervt reagierte auf die Fragen von Christian Sievers im ZDF-HeuteJournal vom 6. März. Und der Papst hat, als er über den Krieg in der Ukraine sprach, gezittert und geweint. Tourismus 2023 weiterlesen

Leider NICHTS

LEIDER

Viele meiner treuen Leserinnen und Leser warten seit ewigen Zeiten auf NICHTS und wieder NICHTS. Die Zahl derer, die sich bei mir erkundigt – und zum Teil beschwert – haben, steigt rasant wie die Energiepreise. Bis heute habe ich mindestens 5, nach anderer Zählweise 7 solcher Anfragen erhalten! Das konnte ich nun nicht mehr ertragen. Hier deshalb wieder mal NICHTS. 

Woran es nun gelegen hat, diese lange Zeit des beharrlichen – und ungewöhnlichen – Schweigens? Es gibt doch so viele, viele Themen, die man sich als Satiriker oder mindestens als Ironiker vornehmen könnte. Von der Klimakatastrophe über das Ausscheiden der deutschen Fußballgrößen bei der WM in Katar bis zum neuen Verkehrsminister Wissing in der Ampelregierung. Aber genau das ist das Problem.

Ich stehe vor einer Triage. Vor einer satirischen Triage. Bei der medizinischen Triage liegen vor dem Arzt (oft natürlich auch vor der Ärztin) mehrere Menschen, schwerstverletzt, kurz vorm Tod. Und er (oder natürlich gegebenenfalls auch sie) muss entscheiden, wem zuerst geholfen werden soll, weil er die größte Chance hat zu überleben. Auch wenn dann einer der anderen stirbt. Ich dagegen stehe vor der Frage, welches der Themen am schnellsten vergessen wird. Also stirbt. Um das muss ich mich zuerst kümmern. Die anderen überleben und warten noch länger auf mich.

Mache ich mich verständlich? Ich will versuchen, meine Lage zu erklären. Der gerade erwähnte Wissing ist im Grunde ebenso bescheuert wie sein Vorgänger. Seine Ablehnung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen begründet er mit dem Mangel an Verkehrsschildern. Das ist ebenso lustig wie die Begründung von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht für die Lieferung von 5000 militärischen Schutzhelmen an die Ukraine. Dies sei „ein ganz deutliches Signal“, sagte sie, „Wir stehen an eurer Seite“. Beides ist aber ebenso im Orkus der Vergessenheit versunken, da regt man sich nicht mehr auf. Ich schon gar nicht.

Anders ist es bei den vielen weiteren Themen. Diese bemitleidenswerte CDU/CSU! Trotz ihre jeweiligen Alphatiere Merz und Söder! Oder gerade wegen der beiden? Und weit und breit kein Nachfolger in Sicht. Außer Jens Spahn (neeiiin!). Oder Armin Laschet. Nein, der nicht, der hat ja zu Recht ganz schnell den Rat seiner Influencer befolgt (Vorsicht: Kalauer!): Armin! Lasch et bleiben! Nachfolgerinnen gibt es ja schon lange nicht mehr. Wieso denn auch, 16 Jahre eine Frau an der Spitze, unglaublich, was diese Parteien die ganze Zeit ertragen haben – und dann trotzdem diese Wahl-Niederlagen in der letzten Zeit! Aber die Wahrscheinlichkeit dass die Union eingeht wie beispielsweise in Italien die Christdemokratie ist nicht sehr groß. Ich fände es auch schade. Heute muss ich also dazu nichts weiter zu sagen. Auch wenn es eine Menge gäbe.

Seit Jahrzehnten und gewiss für weitere Jahrzehnte erhalten bleibt mir auch die SPD. Mein Sehnsuchtslied für sie – „Du lässt disch gähn“ – hab ich 1972 geschrieben. Ich hab es zuletzt vor drei Jahren gesungen. Und es passt immer noch! Wie bei Helmut Schmidt wie bei Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier oder Heiko Maas. Deshalb meine zuversichtliche Überzeugung, dass die Partei mir noch viele Gelegenheiten bieten wird, mich zu beömmeln. Olaf Scholz gibt sich bereits viel Mühe, mir zu gefallen. Das geht schön so weiter, und wenn er dann wieder Oppositionschef ist, wird er jede mögliche Gelegenheit nutzen. Naja, muss nicht gleich die Schröder-Liga sein, es reicht, wenn er sich Sigmar Gabriel zum Vorbild nimmt *). Ich freu mich schon. Eben entdecke ich, dass ich diesen Text gerade noch rechtzeitig entdeckt habe. Es gibt ein weiteres sehr schönes Thema: definitiv abgelehnt hat Scholz bisher die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern. Bin mal gespannt, wieviel Tage, wieviel Stunden es noch dauert, bis er mal wieder umfällt. Mit freundlicher Unterstützung von Robert Habeck (in den Nachrichten am Donnerstagabend). Und natürlich von Annalena. Und die einfachen Grünen haben ein weiteres Thema abzuarbeiten. Wo sie doch schon Lützerath wieder ganz ratlos macht, nachdem Harbeck dem Abriss zugestimmt hat.

Irgendwie müssen die Grünen übrigens mitgekriegt haben, dass ich mich so selten mit ihnen beschäftige. Nach einer längeren Diskussion im abgehobenen Promi-Kreis haben sie dann endlich angefangen, ebenfalls so richtig satirogen zu werden.

Am schnellsten geschafft haben das Annalena Baerbock und Robert Habeck. Als Vorsitzende einer Partei, die ihre Wurzeln unter anderem in einer Antikriegs- bzw. radikale Friedenspolitik hat, ebenso wie in der Forderung in ihrem Parteiprogramm, die Erosion der Rüstungskontrolle zu stoppen und neue Schritte auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt einzuleiten“. Und weiter: Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete und an Diktaturen: Die politischen Rüstungsexportrichtlinien werden lax gehandhabt.“ Kaum jemand sonst hat in der letzten Zeit so viele Plädoyers für ständig neue Waffenlieferungen geliefert wie Annalena Baerbock, und dann zudem überall hin, wo es gerade scheppert. Aber auch hier komme ich nicht weiter, es gäbe noch viel mehr lustige und weniger lustige Dinge zu berichten, besonders wenn man auch noch Robert Harbeck herbeibittet, mit seinen Argumentationen, im Stil ausschweifend, diffundierend wie Thomas Mann. Aber so wie es zurzeit aussieht, bleiben die beiden mir ebenso erhalten, wie beispielsweise der Porschist und Bank-Kumpel Christian Lindner.

Was uns ebenfalls weiterhin erhalten bleiben wird:

–  der Ukrainekrieg. Jahrelang wird er noch andauern, sagen die, die es wissen, weil nur die Ukraine gewinnen darf. Klar, mit weiterhin täglich tausenden von Toten und katastrophal verwundeten Überlebenden. Weil nach den sensationellen Gewinnen mit den gelieferten Waffen die Geschäfte mit dem Aufbau der zerstörten Städte, Dörfer und Fabriken kommen müssen. Weitere Riesenprofite sind zu erwarten. Und wir sind dabei! Nebenher kann dann ja in der Ukraine auch das eingerichtet werden, was bekanntlich immer noch nicht vorhanden ist, also vor dem russischen Überfall nicht vorhanden war, an Demokratie.

 – der Klimawandel. Weil sich die, die wirklich etwas tun könnten, das nicht wollen, mit der Begründung: alles schön und gut, auch wir möchten ja gern mitwandeln, aber so wie ihr euch das vorstellt, geht es einfach nicht. Zum Beispiel: so viele Straßenschilder wie ein Tempolimit… bitte? Ach ja, das sagte ich schon. Und die letzte Generation irrt sich, sie wird nicht die letzte sein. Auch wenn sich die jungen und mutigen Klimaaktivisten in 50 Jahren mit Kind und Kindeskind immer noch auf die Straßen kleben. Mindestens genau so fest, wie Politiker an ihren Sesseln. Ein weiteres Thema für Satiriker.

der weltweite Ruck nach rechts. In Italien haben sie es schon geschafft mit der Regierung Meloni. In Frankreich hat der Front National (inzwischen Rassemblement National) der Marine Le Pen bei den Parlamentswahlen im Juni die Anzahl seiner Abgeordneten verzehnfacht. Großbritannien gibt sich erfolgreich Mühe, mitzuhalten. Die USA stehen vor der schwer vorstellbaren Situation, dass Figuren an die Macht kommen, gegen die Trump noch ein Sugarbaby war. Auch in Deutschland: die AfD rutscht immer weiter nach rechts in die weit geöffneten Arme des Björn Höcke. Und die Zahl ihrer Wähler/innen nimmt zu. Die Reichsbürger, Querdenker und ihre Kameraden sind durch die kürzliche Aktion nicht verschwunden, sie werden auch nicht ablassen von Ideen und Plänen, wie sie die schreckliche Demokratie in Deutschland beenden können; notfalls mit Gewalt. 

–  auch eher scheinbar kleinere Skandale verschwinden nicht dadurch, dass nach und nach immer weniger darüber berichtet wird: Die Korruptionsaffäre, Stichwort Eva Kaili. Das verrottete Gesundheitssystem. Das kaputte Schulsystem. Die deutschen Männerfußball-Helden werden wahrscheinlich auch nach anderthalb Jahren erneutem Hansi-Flick-Werk nicht Europameister. Selbst wenn sich die vier weißhaarigen alten Männer, die auch mal Kicker waren, für teures Geld dazu verpflichtet haben, das doch zu schaffen.

Jeder neue Tag bringt etwas ans Licht, was geradezu nach Satire schreit. Tut mir leid, es ist einfach zu viel. Vorgestern las ich in der SZ unter der Überschrift „Supermärkte und Discounter neppen ihre Kunden“. Gestern kam ans Tageslicht, wie sich die deutschen Laborärzte mit Geschick und Druck Millionen in ihre auch vorher nicht leeren Taschen gelenkt haben. Was aus Brasilien berichtet wird, der Sturm auf die Zentren der Demokratie… Usw.usw.usw. Das ist der Alltag. Jeden Tag. Überall. Was kann, was soll man da machen? Was kann ich da machen?

Meine Antwort, wieder einmal: ich kann auch nur NICHTS machen. Leider.

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*) Es würde zu weit führen zu erzählen, was der aufrechte linke Sozialdemokrat Sigmar Gabriel (sich) alles leistet; wen es interessiert, kann es bei Wikipedia nachlesen, unter dem Abschnitt Tätigkeiten nach seinem Ausscheiden als Bundesaußenminister (seit 2018)

 

Zeitenwende – Zeitenende. Ein SF-Film

Was für ein Film! Großartig! Alles perfekt: Drehbuch, Kamera, Ton, Schnitt, Regie. Tolle Schauspieler und -innen. Sehr selten sowas. Besonders bei einem Science-Fiction-Film, er spielt im Jahr 3184.  Man muss ihn gesehen haben. Damit man weiß, was uns erwartet. In wenigen Jahrzehnten Das zeigt das Werk:

Schon das Opening: mit ohrenbetäubendem Krachen bricht ein riesiges Stück aus einem Eisberg und klatscht in das Meer. Schnitt. Ein völlig ausgetrocknetes Weizenfeld in Niedersachsen. Der Bauer, dem das Feld gehört, spricht davon, dass er ruiniert ist und nicht weiß, wie er und seine Familie weiterleben sollen. Schnitt. Düsseldorf, eine 65 Jahre alte Frau, ihr zerfurchtes Gesicht füllt die ganze Leinwand. Frührentnerin wegen eines Schlaganfalls im Alter von 56. Ein paar Tränen rollen über ihre Wangen. Sie hat gerade die Energierechnung für ihre kleine Wohnung bekommen, 5mal so hoch wie letztes Jahr. Und gestern kam die Kündigung, wegen „Eigenbedarf“ des Vermieters. Dem 18 weitere Häuserblocks gehören. Schnitt, rasch hintereinander geschnitten: Furchtbare Szenen, riesige Waldbrände, in Australien und im Grunewald, in Frankreich und den Rocky Mountains, die Feuerwehren überall überfordert. Oder die Schiffahrt auf dem Rhein, ein Frachtschiff kratzt über den Boden – klar: Niedrigwasser. Hitzewellen überall auf der Welt, China, USA, Europa, Sibirien. Flüchtlingsströme aus Afrika oder dem Nahen Osten. Krankheiten breiten sich aus, bisher unbekannte, eine Medizin gibt es nicht.

Und dann noch – der Film verschont uns nicht – Kriege. Schon lang andauernde. Und auch neue. Ein Land in der Größe von Bayern wird überfallen von einer Weltmacht. Nein, diesmal ausnahmsweise nicht von den USA. Die Auswirkungen: Inflation, Preissteigerungen für Gas und Strom bis zu 75%, AKWs dürfen weitermachen. Und zahlen müssen die Menschen, vor allem die Armen in allen Ländern, immer mehr. Immer mehr Profit machen die Konzerne, immer reicher werden de Reichen. Manchmal hält man es fast nicht mehr aus, im Kino, beim Anschauen dieses Films.

Und doch: es gibt auch Positives in diesem Opus. Nein, nicht bei Covid. Das ist ja längst besiegt. Nein, positiv ist das Verhalten der Regierungen, weltweit. Die haben die Gefahren erkannt. Ständig treffen sie sich zu neuen Konferenzen, Themen ganz allgemein das Große und Ganze, aber auch Details, zum Beispiel welche Folgen das Verbot von Chemie-Dünger in Europa für die Bevölkerung von Süd-Abessinien haben kann. Ja, die Regierungen, das zeigt der Film, tun ihre Pflicht. Sie treffen sich mit großen Delegationen mal in Mali, dann in Berlin, in Wien, in Los Angeles, in der Schweiz, in Australien, in Italien, in Kapstadt. Pläne werden erarbeitet. Zum Schutz der Natur. Zur Beseitigung der Bedrohungen. Ganz konkrete Maßnahmen werden verabschiedet. Gesetzlich. Wirksam schon in 27 Jahren, in 51 Jahren, in 103 Jahren.

Das tröstet. Das beruhigt. Die Menschen zahlen, ein bisschen murrend, aber dann doch ohne Widerstand, was ihre Regierungen beschließen. Auch die Konzerne denken mit und handeln vernünftig. Zeitenwende – Zeitenende zeigt es am Beispiel der Autoindustrie. Neue SUVs, die Sportwagen, die Supercabrios werden mit Elektroantrieb angeboten. Von null auf hundert in weniger Sekunden als der bisher schnellste Porsche. Und kaum teurer als die alten Benziner und Dieseler. Die notwendigen Autobahnen werden gebaut, das dafür notwendige Gelände ist eh nutzlos geworden. All das ist natürlich teuer. Aber ohne Profit kein Prosit, kalauert der Chefdesigner eines der Autokonzerne. Aber die Diskussion über die völlig verrückte Idee einer Übergewinnsteuer endet glücklicherweise schon sehr schnell.

Das alles, meint dieser Blick in eine ferne Zukunft, wirkt drohenden Gefahren entgegen. Es soll die Angst nehmen. Das Vertrauen stärken. Soll zeigen, dass die Lage nicht so aussichtslos ist, wie manche Pessimisten oder Prinzipnörgler uns das weismachen wollen. Allerdings – und das zeigt der Film sehr deutlich – wenn in der nächsten Zukunft, so in vier, fünf Jahren – nichts Entscheidendes passiert, ist die Erde in spätestens 66 Jahren nicht mehr zu retten.

Wie gesagt: Science Fiction. 3184. Der Film endet mit rasch hintereinander geschnittenen Szenen, die einem den Atem stocken lassen. Deshalb atmet, wer den Film gesehen hat, auf und tief durch, wenn er aus dem Kino kommt. Er oder sie kehrt in sein normales Leben zurück. Spart immerhin ein bisschen, wo es unbedingt sein muss. Und macht abends den Fernseher um 20:15 an, nach der Tagesschau, und schaltet aus um 23:30 vor den Spätnachrichten. Und freut sich in der Zeit dazwischen an einer neuen Folge der uralten Spitzensendung „Verstehen Sie Spaß“.

Farbiger Abgleich

Eine so farbige Regierung hatten wir noch nie. Eine Ampel! Und was für eine! Seit Wochen steht sie bleibend auf gelb. Manchmal schaltet sich ein bisschen rot dazu. Rot? Nun ja, so ein blasses Hellrot, dass es auch fast wie gelb aussieht. Und grün? Blinkt öfter mal wie ein Richtungsänderungsanzeiger. Also keine längere Phase. Keine freie Phase wie es grün eigentlich verspricht. Vor den Wahlen.

Überhaupt: was ist denn grün, in diesen unseren Zeiten? Wikipedia gibt uns wie immer die Antwort: „Grün ist der Farbreiz, der wahrgenommen wird, wenn Licht mit einer spektralen Verteilung ins Auge fällt, bei der fast nur Wellenlängen zwischen 520 und 565 nm vorkommen.“ So würde das auch Habeck beschreiben, wenn ihn jemand fragen würde, was an den Grünen heute noch grün ist.

Auch andere Farben sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Auch sie sind ein Opfer der Olafianischen Zeitenwende. Rot sind jetzt also also z.B. 100 Milliarden für’s deutsche Militär. Das reicht noch nicht mal, vermutlich. Dann schaltet die Ampel wieder auf gelb und der alles bestimmende gelbe Ampelmann Lindner kommt auf einen weiteren Haushaltstrick, wie man mit Milliarden um sich schmeißen und trotzdem an der schwarzen Null festhalten kann. Er wird das nötige Geld beschaffen, indem er die ohnehin zu hoch bemessenen Zuschüsse für bedürftige Kinder in Höhe von 20 € pro Monat um die Hälfte kürzt. Dann müssen Bundestag und Bundesrat sich erneut mit dem „Gesetz zur Regelung eines Sofortzuschlages für Kinder und einer Einmalzahlung an erwachsene Leistungsberechtigte der sozialen Mindestsicherungssysteme aus Anlass der Covid-19-Pandemie“ befassen. Und ihm zur Geltung verhelfen. Kein Problem, sie haben ja auch dem Gesetz in seiner jetzigen Fassung zugestimmt.

Die Union der Christen hat nicht zugestimmt. Also die Schwarzen. Ist die Farbe schwarz wirklich „… diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge des Menschen strukturlos erscheinenden Teiles des Gesichtsfeldes, durch die sich dieser Teil bei einäugiger Beobachtung mit unbewegtem Auge von einem gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlosen angrenzenden Bezirk allein unterscheiden kann“? Das ist noch nicht endgültig geklärt. Unter die Definition fallen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (Achtung: Juristen am Werk!) „Des Geyers schwarzer Haufen“, der „Schwarzwald“, „schwarz“-braun ist die Haselnuss, die „Schwarzarbeit“, „schwarze Kassen“, die „schwarze Null“ und die „Schwarzhemden“. Dass „BlackRock“, der größte Vermögensverwalter der Welt und sein zeitweise Aufsichtsratsvorsitzender Friedrich Merz dazu gehören, ist bereits geklärt. Als Unterfall von… naja, ist doch klar. Und Friedrich Merz hat durch seinen Wechsel als Parteivorsitzender der CDU auch keinen Farbwechsel vornehmen müssen.

Ich werde die politischen Farbentwicklungen weiter mit  viel Vergnügen und häufigem Abscheu verfolgen. Auch die jeweils neuen Pirouetten der Zeitenwendehälse.

NICHTS macht mir angesichts der Covid-Ukraine-Krieg-Medienirrungen-Sanktionenerfolglosigkeit-Gas und Strom-Engpässe-Inflationssteigerung-Scherezwischenarmundreichsichständigweiteröffnende Gegenwart überhaupt noch Spaß. Allenfalls noch Olaf Scholz beim Reden. Und sein Blick in die Zukunft.

Wendezeiten

Ach ja, die Zeitenwende! Wende ist ein großartiges Wort für ein großartiges Ereignis. Mit dem Bug durch den Wind und zurück zackzack in die Gegenrichtung. Das Großsegel geht von selbst auf die andere Seite. Oder kurz und verständlich ausgedrückt: von der Regierung Kohl zurück zur Regierung Kohl. Das war 1989.

Jetzt wieder eine Zeitenwende. Vielleicht eher eine Halse: mit dem… dem A…, äh, also dem Heck durch den Wind. Scholz wird Militarist. Zackzack, rechtsum. Nie wieder dieses NIE WIEDER! Es gibt einen Krieg, und wir sind dabei. Auf der richtigen Seite natürlich. Ohne Waffen natürlich. Mit 5000 Sturzhelmen für die bedrohten Radfahrer in der Ukraine. Reicht nicht? Okay, dann auch ein paar ausrangierte Panzer. Vielleicht. Dazu die nötige Munition. Wenn wir sie irgendwo noch finden auf der Welt. Und vor allem natürlich mit Geld. Mit Milliarden, drunter läuft heute nichts mehr. Apropos Milliarden: auch für unsere arme Bundeswehr gibt es jetzt Milliarden. 100 Milliarden. Eine Milliarde sind 1000 Millionen. 100 Milliarden also hunderttausend Millionen. Weil wir bisher mit unserem Heer so schäbig sparsam umgegangen sind, konnten wir schließlich unsere Sicherheit am Hindukusch nicht mehr gehörig verteidigen. 2021 zum Beispiel gaben wir für unsere Verteidigung ein bisschen mehr als 50 Milliarden (Dollar) aus. Das ist doch läppisch! Unsicher und voller Selbstmitleid standen wir in der Welt herum und fragten mit Franz Schubert: Wohin soll ich mich wenden, wenn Gram und Schmerz mich drücken?

Aber es gab eine Antwort. Eine kleine Wende. Deutschland und seine Demokratie mussten doch weiter verteidigt werden. Auch militärisch. Dafür war die Bundeswehr schon länger im Einsatz. In Mali, Afghanistan, Bosnien, Kosovo usw. In der Ukraine nicht! Noch nicht? Grundgesetz? Na, vielleicht macht das wieder mal Urlaub. Wäre nicht zum ersten Mal, ein Krieg so nah. In Europa! Echt? Und was war mit den Kriegen in der Ukraine 2013/14. Dem Bergkarabach-Konflikt 2020. Dem Georgienkrieg 2008. Den Jugoslawien-Kriegen in den 1990er Jahren. Den Tschetschenienkriege 1994-1996 und 1999-2009. Dem Transnistrien-Konflikt 1992.

Übrigens: Was wir jetzt er- und durchleben ist, entgegen der viel geäußerten Meinung nicht ganz neu. Den Grund für eine Zeitenwende hatten wir schon mal. Einen großen völkerrechtswidrigen Krieg. 2003. Die USA überfielen den Irak. Einer der mehr als 40 Kriege der USA seit 1945. Sie erinnern sich nicht? Haben Sie das alles vergessen? Wie damals Hunderte PolitikerInnen aus der ganzen Welt nach Washington gereist sind? Um George Dabbelyou Bush zu überzeugen, dass er sofort aufhört und seine Truppen zurückzieht? Die Tausenden Demonstrationen in der ganzen Welt und auch in unserem Land? Die selbstverständlichen Hilfsaktionen für die vielen, vielen Flüchtlinge, die auch nach Deutschland kamen? Da wurde ganz unbürokratisch Asyl gewährt. Die empörte Bevölkerung sammelte Kleidung, Essen und Trinken. Auf einem Spendenkonto, jeden Abend im Fernsehen die Nummer eingeblendet, gingen Millionen ein. In den Schulen gab es Arabisch als Wahlfach. Und erst diese ganzen Sanktionen gegen die USA!? Alles vergessen? Eine Zeitenwende sah dennoch keiner und keine. Wo war eigentlich Olaf Scholz damals, 2003?

Bush verkündete dagegen, das sei ein „sauberer Krieg“, sozusagen eine „Sondermilitäroperation“. Da würden in zu nur militärisch wichtige Ziele angegriffen. Dank der modernen Technologie sei das möglich. Keine zivilen Opfer? Bei Wikipedia findet man folgende Zeilen:

Wie viele Iraker starben, ist bis heute umstritten. Schätzungen reichen von 100.000 Toten bis hin zu mehr als einer Million Opfer zwischen 2003 und dem Abzug der US-Kampftruppen 2011. Die US-Studie „Der Irak-Krieg 2003 und vermeidbare menschliche Opfer“ geht in einer niedrigen Schätzung davon aus, dass der Irakkrieg etwa eine halbe Million Menschen das Leben gekostet hat. Der Untersuchung zufolge können die meisten Toten auf direkte Gewalteinwirkung wie Schüsse und Bombenangriffe zurückgeführt werden. Ein Drittel der Opfer verstarb an indirekten Folgen, wie dem Zusammenbruch der Infrastruktur für Trinkwasser, Ernährung, Verkehr und Gesundheit.

Auch damals ging es ums Erdöl. Heute kommt noch das Gas dazu. Die grünen Minister in der Ampel stampfen erst mal ihre Wahlprogramme ein und werden Realpolitiker. Die Außenministerin fordert lautstark, schwere Waffen zu liefern. Schließlich sind wir das Land mit den viertgrößten Waffenexporten in der Welt.

Habeck wird hier völlig missverstanden. Er bewundert gerade die Schuhe des Scheichs

Der Wirtschaftsminister macht Geschäfte mit Katar. Es gibt schließlich auch gute Diktatoren auf der Welt. Die Medien? Seit Wochen jeden Abend ein Bericht im Fernsehen. Oft als Aufmacher. Konsequent und ganz objektiv wird praktisch die  jeweilige Regierungspolitik verbreitet. So wie damals 2003. Können Sie sich wirklich nicht erinnern? Die Bilder und kleinen Filmchen damals, in allen Nachrichtensendungen? Erschüttert saßen wir auch damals auf dem Sofa. Schockiert von den rauchenden Trümmern aus zerbombten Häusern, die weinenden Witwen, verwaisten Kinder, gefolterten Soldaten, vergewaltigten Frauen. Das gab es damals nicht? Sowas Schreckliches? Seien Sie nicht naiv, das gibt es in jedem Krieg. Auch damals. Und in den Talkshows schon seit Wochen: Für Putin wird Den Haag gefordert. Klar, Bush sitzt ja auch lebenslänglich. Bush fühlte sich schon immer als KünstlerIn Frieden und Wohlstand, nicht im Knast. Künstler bleibt Künstler, in den USA.

Um es klar zu sagen, sonst bin ich gleich ein Putinversteher: Putin ordnet diese ganzen Grausamkeiten in der Ukraine an. Er ist ein Kriegsverbrecher und nimmt andere Kriegsverbrecher in Schutz. Selenskyj ist nicht Saddam Hussein. Der Irak lebte in einer Diktatur. Die Ukraine ist… ähm, war…ähm, das wissen wir nicht so genau. Aber wenn wir heute die Nachrichten verfolgen ist und war die Ukraine eine Demokratie ohne Fehl und Tadel. Oder haben Sie was anderes mitgekriegt?

Doch, ja: ab und zu kommt sogar mal einer in eine Talkshow, der sich auskennt. Bei Maischberger zum Beispiel. Klaus von Dohnany zum Beispiel, unter Kanzler Willy Brandt Staatsminister im Auswärtigen Amt. Er hat andere Ansichten zum Ukraine-Krieg, er weist auf die Rolle hin, die auch der Westen dabei spielt. Der wird dann ganz sachlich befragt, von der ruhigen, emotionsfreien Moderatorin. Sie musste den 93jährigen – überhaupt, in so einem Alter ist klares Denken doch nicht mehr zu erwarten, oder? – den musste sie ständig unterbrechen, ihm ins Wort fallen, überlegen grinsen, um die verqueren Ansichten dieses Mannes mit den wirklich richtigen Fakten und Meinungen zur Ordnung zu rufen.

Schwere Waffen in die Ukraine. Um den Krieg zu beenden. Gerade jetzt wieder wird die Forderung lauter. Im Donbass sind die Russen dabei, zu gewinnen. Das darf nicht sein. Sagt auch Scholz. Deshalb müssen doch die schweren Waffen geliefert werden! Weil dann der Krieg immer weiter geht. Bis Russland besiegt ist. Ja, das kann dauern. Immerhin: Laut Global-Firepower-Index besitzt Russland die zweitstärksten Streitkräfte und das stärkste Heer weltweit.[10 KO nimm]Na und? Wir haben Zeit. Wir brauchen Geduld. Wir schaffen das. Schlimmstenfalls haben wir ja die NATO.

Bert Brecht schrieb 1938: Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten. Heute würde er vermutlich schreiben: Wirklich, ich lebe in totaler Finsternis, in einer Zeitenwende. 

Ein Brief an Putin

Von ungewöhnlich gut unterrichteten Greisen wurde uns dieses Schriftstück hier zugespielt. Wir spielen es gerne weiter zu. Wir lehnen jede Verantwortung ab. Wir haben NICHTS mit dem Inhalt zu tun.

Mein liebstes Putinele –

endlich komm ich dazu, dir zu schreiben. Die ganzen letzten Monate war ich immer aufs Neue überrascht, durch deine klugen, abwägenden Ideen, die ich dann immer erst verarbeiten musste. Ich weiß, du hast inzwischen außer dem Gerhard Schröder keine Freunde mehr in der Welt und in Deutschland – naja gut, sind es vielleicht noch sechs, sieben weitere Putinversteher – ja, und einer von denen bin ich. Ich verstehe dich ja nur zu gut!

Du hast dich doch schon nach dem todtraurigen Zusammenbruch des real expandierenden Dingsbums ganz schnell und mit ganzer deiner real existierenden Chuzpe (ich finde das positiv!!) auf die neue Weltlage eingestellt. Nicht viel mehr als 15 Jahre hast du gebraucht, um dich erfolgreich hochzuschaffen auf Augenhöhe der Figuren, die in dem ideal funktionierenden Kapitalismus dominieren wie z.B. Jeff Bezos oder Elon Musk. Du hast pausenlos gearbeitet, hart und unermüdlich und ohne Pause, von frühmorgens bis tief in die Nacht, so wie alle Milliardäre das machen. Du redest nicht gern übers Geld, wenn es um deines geht, auch das verstehe ich gut. Aber nach vorsichtigen Schätzungen sind das so um die 70 Milliarden US-Dollar. Gratuliere! (Und danke nochmal: du hast meinem Neffen, als er in Konkurs ging und ich dich um eine kleine Hilfe bat, 180 € geschickt, einfach so, ohne dass er sie zurückzahlen musste!) Sowas will aber keiner wissen von denen, die ewig bloß auf dir rumhacken. Die werfen dir dauernd irgendwas vor, z.B. dass du deine Yacht schnell noch nach Russland hast bringen lassen aus dem Hamburger Hafen. Mein Gott, welcher normale deutsche Bürger würde 80 Millionen einfach so beschlagnahmen lassen!! Echt geschickt, Wladimirili!

Und jetzt dieses Theater um den Ukraine-Krieg. Wegen der etwa 33.000 Nazis bzw. Rechtsextremisten in Deutschland machen sie hier ein Gewese sondergleichen. Wenn du aber ein ganzes Land voller Nazis von denselben befreien willst, beschimpfen sie dich unflätig. Die sollen uns doch mal sagen, wie man das anders hinkriegen will als einfach alle zu erschießen? Dass dabei auch ein paar russische Soldaten draufgehen, war dir schon klar, aber es hat eben alles seinen Preis und es waren ja bloß 598. Heißt es. Ganz anders in der Ukraine. Als ich dich vor drei Tagen mal wieder angerufen habe, hast du gerade (zusammen mit deinem Gerhard?) vorm Fernseher gesessen und ARD und ZDF eingeschaltet gehabt, und du hast laut gelacht über die Bilder von Leichen, Trümmern und weinenden Müttern mit ihren kleinen Kindern; weil das ja alles Aufnahmen aus irgendwelchen alten Kriegsfilmen von Hollywood sind. Hast du gesagt. Und als deine Generale das erfahren haben, haben das gehorsam bestätigt. Befehl ist Befehl.

Gut, irgendwann muss das schon mal aufhören mit dem Krie … äh, der Spezialoperation. Du hast doch sicher eine weitere Spezial-Idee? Oder? Du hast doch immer eine Idee. Du denkst echt geschichtlich, also mittelalterlich. Und du wünschst dir nichts sehnlicher – hast du mir vor ein paar Jahren bei einem tollen Glas Wein in deiner tollen Villa in Biarritz geflüstert – als einzugehen. In die Geschichtsbücher. Als der GRÖRAZ, der Größte Russe aller Zeiten. Als ich auf deine lichten 170 Körperzentimeter ansprach, als Scherz, hast du mich mit deinem Eishockeyschläger halb tot geschlagen. Verziehen! Ich hätte dich auch gern gefragt, ob es stimmt, dass deine Potenz seit 24 Jahren erschlafft ist – das Bild hier ist natürlich aus dem Zusammenhang gerissen! – und du deshalb nur noch Pornos anschauen kannst; aber ich wollte mich nicht in Lebensgefahr bringen und die junge Frau, die mir das unter dem Siegel der Verschwiegenheit aus eigener Erfahrung berichtet hat, auch nicht. Sie ist jetzt im Westen, mit einer anderen Identität. Einfach feige, finde ich.

Apropos Westen. Das ist doch echt gemein, dass die Länder sich jetzt plötzlich als die ziemlich besten Freunde darstellen, von den USA bis Europa und wo sonst überall. Ich weiß, du hoffst im Stillen darauf, dass die – und wenn auch nur aus Versehen – mal irgendwo in deinem mehr als tausendjährigen Reich was Militärisches anstellen. Vielleicht organisierst du das auch? Du weißt doch, wie man sowas macht. Dann aber hallo hallo dalli dalli balla balla! Du, sag mal, auf wen willst du denn zuerst eine Atombombe schmeißen? Bitte? Gut, das willst du nicht rauslassen, ist mir als Putinversteher schon klar. Die werden sich wundern, wenn es dann einen Weltkrieg gibt. Ich sag da immer – als kleinen Scherz – „aller guten Dinge sind drei“… Kein bisschen Leid tun mir dabei allerdings die ganzen Oligarchen (was hältst du davon, wenn ich sie als Olgarschlöcher bezeichne?).

Die gehen dann dummerweise auch drauf. Der Begriff „Märzgefallene“ kriegt dadurch eine ganz neue Bedeutung. Hahaha!.

So viel erst mal für den Augenblick. Ach, eines noch: hast du mitbekommen, dass da im Internet Bilder von dir existieren, die dich auf einem Pferd zeigen, und auch noch ohne deinen Büstenhalter? Finde ich unmöglich. Natürlich alles Fake-Fotos. Mach was dagegen!!

Druschbali, druschbala, liebes Putinchen!

Auf ewig dein (Unterschrift unleserlich)

Zapfenstreich

Endlich mal wieder! Ich hatte schon Entzugserscheinungen. Mehr als 2 Jahre ist es her, dass ich nach dem unverwüstlichen Ritual dürsten musste. 2019, da ergoss sich das atemberaubende Zeremoniell über Ursula von der Leyen. Seither Pustekuchen. Und ich hänge doch als guter Deutscher mit Körper und Seele daran! Aber hallo! 

Gestern war es endlich wieder soweit. Schon vorher, bei der Ankündigung, dass das Ereignis wirklich wSoldaten beim Zapfenstreichieder mal kommt, wurden meine Augen feucht.


Diese Soldaten hier wollten nicht erkannt werden, weiß der Geier warum. Deswegen kann ich sie leider nur von hinten zeigen. Ist aber auch eindrucksvoll.

Verdient hatten sich die allerhöchste Ehrung„die die deutschen Streitkräfte einer Zivilperson zuteilwerden lassen können“(1), dieses Mal die deutschen Streitkräfte selbst. Mit ihrem Auftrag, den ihnen das deutsche Parlament gegeben hatte. Und die Soldatinnen und Soldaten haben ja mission accomplished! Das hat auch gestern der Bundespräsident bestätigt. Militärisch sei der Einsatz ein Erfolg gewesen. (Auch mit 59 Toten). Unter den deutschen Streitkräften. Den Afghanen ne richtige Demokratie beizubringen, sei weniger gelungen, leider, fügte er dann mit seinem Blick voller tiefer Trauer in den Himmel hinzu.

Nicht nur die ARD fand die Veranstaltung so Spitze, dass sie mit einem ausführlichen Bericht darüber aufmachte. Auch das ZDF mit  seinem HeuteJournal ließ es sich nicht nehmen, die aktuelle Form des einstmaligen eher ernüchternden Zeremoniells(2) in seinem ersten Beitrag zu würdigen. Da soll noch einer sagen, wir Deutschen hätten kein Geschichtsbewusstsein! Immer noch wird ja "als Gebet" der Choral gespielt: „Ich bete an die Liebe der Macht“. Bitte? Oh, vielmals Entschuldigung, der Schlager heißt in Wirklichkeit „Ich bete an die Macht der Liebe“.

Und worauf ich sehnlichst gewartet hatte, kam denn dann auch. Die würdigen, zu Herzen gehen sollenden Worte. Der Bundespräsident fand in seiner Predigt die richtigen Mahnungen. Trotz des peinlichen Scheiterns von 20 Jahren sei es richtig, dass deutsche Soldaten auch weiterhin nicht nur in Deutschland herumschießen dürften, sondern überall, wo unser Land verteidigt werden muss, wie eben gerade am Hindukusch. Richtig: das hat einst der SPD(!)-Verteidigungsminister Peter Struck so formuliert. Aber es ist doch immer noch die reine Wahrheit!! Steinmeier sagte, dass „Rückzug von der Welt“ nicht unsere Antwort sein dürfe. „Wir müssen uns der Welt stellen so wie sie ist, und zugleich den Anspruch bewahren, sie nicht so zu lassen.“ Das sollte sich die Welt mal hinter die Ohren schreiben! Die wird sich noch wundern!

So manche Kritik abzukanzeln, die es an diesem bewegenden Abend leider auch gab  – nein, die Kanzlerin war nur sprachlos dabei - blieb der Verteidigungsministerin AKK vorbehalten. Wir würden, sagte sie mit der ihr immer so eigenen Melancholie in der Stimme, dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan nicht gerecht, wenn wir „pauschal und manche auch leichtfertig“ 20 Jahre Engagement als Desaster und Katastrophe abkanzeln.“ Schließlich konnten wir doch, das hatte der Bundespräsident auch noch gesagt, unsere Verbündeten nicht allein lassen bei dem Versuch, einfach mal zu kucken, ob die Terroristen des 11. September 2001 vielleicht doch in Afghanistan rumlungerten und ihnen dann zu zeigen, was eine Harke ist. Beziehungsweise eine Bazooka. 

Es waren natürlich nicht nur die wahren und mahnenden Worte derer, die diesen Streich der Zapfen zum Genuss werden ließen, jedenfalls für mich. Da waren auch noch diese wunderbaren Uniformen. Die Fackeln. Die erschütternden Gesten, die das Zeremoniell so unvergesslich machen, wie etwa die Abnahme des Helmes zum Gebet. Die ergreifende Militärmusik, besonders dieses Getrommele. Die Nationalhymne, so rührend wie bei einem Fußball-Länderspiel. Ach, es gäbe noch so viel Schönes zu sagen, zu diesem Streich...

Ich muss allerdings leider auch sagen, dass das ZDF da einen völlig unnötigen Missklang in seinen Bericht über die Feierstunde hineinzwingen zu müssen glaubte. Da wird ein gewisser Peter Hämmerle gezeigt, ein Afghanistan-Veteran. Dessen Bilanz: „Der ganze Einsatz is für'n Arsch. Ich bin Schwabe, ich sag das direkt.“ Und dass er dann auch noch jammern durfte, wie es ihm ergangen sei und auch jetzt noch gehe, das hätte man ja durchaus zeigen dürfen; aber doch frühestens in einer Sendung um 02:15 Uhr. Echt!

Aber demnächst, beim Abschied von Angela Merkel, hab ich wieder das Vergnügen, das ungestörte, hoffentlich. Mein bleibender Trost:

Dies war heut der Zapfenstreich
doch der nächste folgt sogleich.
  1. Die Zitate stammen aus der Zapfenstreichbeschreibung von Wikipedia.
  2. Wenn die Landsknechte zur festgesetzten Abendstunde in das Lager zurückkehren sollten, ging ein Offizier, begleitet von einem Pfeifer oder Trommler, durch die Gaststuben und schlug mit seinem Stock auf den Zapfen des Fasses. Danach durfte der Wirt keine Getränke mehr ausgeben und die Soldaten mussten in die Zelte. Diesen musikalischen Befehl nannten die Landsknechte „Zapfenstreich“. Wer sich ihm widersetzte, wurde hart bestraft. Der Begriff des Zapfenstreiches wurde erstmals 1596 erwähnt 
    
    

	

Befindlichkeiten (2)

Halloho! Guten Morgen!

Oh Gott – du schon wieder. Was gibt’s?

Ich bin nicht Gott. Ich wollte bloß fragen…

Wie es mir geht.

Genau. Wie geht es dir?

Gutt! Gutt!

Und?

Nix und. Einfach gutt! Gutt!

Du wirst immer italienischer. Wenn und wann immer du einen Italiener fragst, come stai, wie geht’s, immer bene, bene. Gutt, guuut! Auch wenn er sich gerade ein Bein gebrochen oder seine Frau ihn verlassen hat. Bene! Bene!

Meine Frau hat mich nicht verlassen. Und meine beiden Beine sind…

Ja. Jaa! Ist ja gut!

Na siehste. Hab ich gerade gesagt. Also dann…

Also dann tschüs meinst du? Es gibt also nichts zu reden? Wenn alles gutt gutt ist, gibt es nichts zu reden?

Doch doch, natürlich. Es gibt immer was zu reden.

Also?!

Also… naja, zum Beispiel… zum Beispiel – wie geht es dir eigentlich? Ist deine Frau noch bei dir?

Bitte? Na klar! Wie kommst du denn auf diese Idee?

Na, du hast kein gebrochenes Bein. Du wirkst ganz fröhlich.

Ja, schon… Nur: Mensch, was sagst du denn zu dem ganzen Scheiß in dieser Welt? Lässt dich das alles kalt? Erst mal dieses Covid-Chaos, besonders in Deutschland. Dann überall dieser Trend nach rechts – AfD, Salvini, Le Pen, Bolsonaro, und jetzt der Terror von diesem Lukaschenko? Alles egal für dich?

Nein, nein! Aber ich sehe auch den Biden, und was der so alles plant und zum Teil schon umgesetzt hat, nix mehr Trump. In Italien hat Salvini kaum noch was zu melden. Von der Le Pen hab ich schon ewig nichts mehr gehört oder gelesen oder gesehen. Die AfD reibt sich selber auf, mit ihren Flügelkämpfen. Und Covid ist so ziemlich am Ende,  die Inzidenz heute in ganz Deutschland bei 35,2.

Ja schon… Aber was sagst du zu diesen Geschichten, wie diese Abgeordneten der CSU sich hunderttausende verschafft haben, mit Masken-Deals? Und was gerade rausgekommen ist, dass die selbsternannten Impfzentren mit falschen Abrechnungen kräftig abgesahnt haben? So dass selbst der Laumann, Gesundheitsminister von NRW, von einer „absoluten Sauerei“ gesprochen hat? Überhaupt, dass die Reichen in der Corona-Krise immer reicher werden und die Armen immer ärmer? Was sagst du dazu?

Normaler Kapitalismus.

Oh Gott – ein Post-Marxist! Willst du echt die DDR zurück?

Oh Gott ein Neo-Liberaler mehr! Willst du den Merz als Innenminister, wenn der Laschet die Wahlen gewinnt?

Quatsch! Ich meine nur…

Ich auch, ich meine auch nur…

Und dann sagst du, es geht dir gutt, gutt??

Naja…

Naja, das hab ich wissen wollen. Das hab ich dich gefragt!

Ist ja gut, ist ja gut…

Gutt, gutt!? Egal. Guten Morgen! Und einen schönen Tag auch!

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Zum guten Schluss noch ein kleiner Dank an das ZDF. Bei diesem Foto hat es mir sehr geholfen. Ich würde heute noch rätseln, ob es der erste von links oder der erste von rechts auf dem Bild ist. Mit der originalen hilfreichen Bildunterschrift:

Der Journalist Roman Protassewitsch – hier zweiter von links auf einem Archivbild aus dem März 2017